Inspirierende Begegnungen

05.06.2014

Das Wiedersehen mit Dr. Ruth Pfau im Mai 2014 war für viele, die sie persönlich kennen oder erstmals live erlebt haben, inspi­rierend und moti­vierend.

So lässt sich zusam­men­fassen, was Prof. Dr. Martin Gertler, Mitglied des Aufsichtsrates der Ruth-Pfau-Stiftung, über seine Begegnungen mit ihr beschreibt:

Beeindruckend, wie sie das macht und wie sie es sagt! Am 17. Mai, dem ersten Begegnungsnachmittag in Würzburg, will sie bei dem fast einstün­digen Podiumsgespräch nicht sitzen, sondern bleibt hinter ihrem Stuhl stehen, denn: „Ich will Sie alle sehen können!“

Damals und heute

Dreihundert Menschen sind gekommen und füllen die Neubaukirche. Ruth Pfau erzählt so lebendig und tief­gehend wie damals, vor genau 25 Jahren, als ich sie bei meiner TV-Drehreise in Pakistan begleitete.

Wir eröffnen unser Gespräch mit einem kurzen Videoausschnitt, den ich damals mit ihr in Kohistan gedreht hatte.

Persönliche Erlebnisse kommen zur Sprache:

  • Die Verwurzelungen der Lepraassistenten in ihren Stämmen und wie sich das im Alltag als hilf­reich erweist;
  • wie sie sich so gern mit ihrem Nachfolger Mervyn Lobo über so vieles streitet – weil das zu guten Ergebnissen führt;
  • dass die Lepra zwar so gut wie besiegt sei, aber immer wieder uner­wartet Menschen auftauchen mit den für diese Krankheit typi­schen Flecken und Verstümmelungen, so dass das Werk nach wie vor weiter­gehen muss;
  • und welche Rolle ihr Glaube dabei spielt.

„Leben ist anders“ – der Titel ihres neuesten Buches könnte über dieser Veranstaltung stehen.

Wir sprechen über manche Themen daraus: Wie funk­tio­niert CBR (Community Based Rehabilitation) in der Praxis? Worauf führen Sie die vielen Morde und Gewalttaten in Karachi zurück? Warum die Erweiterung der Arbeit des MALC auf Behinderungen von Menschen? Welche Rolle spielt ihr Glaube?

Wir sind in Würzburg, wo die DAHW behei­matet ist und auch unsere Stiftung ihren Sitz hat. Vorstand und Aufsichtsrat sind vertreten sowie zahl­reiche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die seit vielen Jahren von Deutschland aus mit ihr zusam­men­ar­beiten.

Am Ende des Gesprächs erhält sie minu­ten­lange „Standing Ovations“, als Dank für ihr Lebenswerk und ihren nach wie vor uner­müd­lichen Einsatz. Danach wollen Hände geschüttelt und Bücher signiert werden.

Wofür es sich zu leben lohnt

Ein paar Tage später sehen wir uns in Köln wieder, am 22. Mai 2014 im Funkhaus des WDR. Im dortigen großen Sendesaal ist sie Mittelpunkt der Veranstaltung „Jenseits des Banalen – wofür es sich zu leben lohnt“, im Rahmen der phil.Cologne, eines inter­na­tio­nalen Festivals der Philosophie.

Zusammen mit Annette Schavan und Rupert Neudeck spricht sie mit dem Chefkorrespondenten der Mediengruppe M. DuMont Schauberg, Joachim Frank, vor allem über Fragen des Glaubens und die Rolle der Religion.

Dabei kommt eine recht eigen­willige Sicht von Ruth Pfau auf ihre Religion heraus, die mich verblüfft. Nein, sie würde nicht jedem raten, Christ zu werden: man solle erst einmal sich klar machen, was das eigentlich bedeutet – ihr sei ihre eigene Religion eigentlich unver­daulich und die meisten Christen seien noch Christen, weil sie gar nicht wüssten, woran sie eigentlich glauben: „die Hochform der Liebe – aber, was die einem abver­langt im Ernstfall…!“. In dem großen Saal ist es so still geworden, als stocke den Menschen der Atem.

Rupert Neudeck greift ihre Sicht auf und beschreibt, dass den Muslimen der Glaube exis­ten­ziell sei und wie irri­tiert sie reagierten, wenn jemand aus seinem Team in Afghanistan bei einer Schuleröffnung auf die Frage, was ihm sein Glaube bedeute, mit „ich glaube eigentlich an nichts“ antwortete. Das sei für die Muslimen ähnlich unver­ständlich wie wenn jemand sich ein Bein abhacken und anschließend sagen würde, das Bein sei ihm egal.

Wieder sind gut drei­hundert Menschen dabei und erfahren – mit dem Kölner Dom im Rücken, nur wenige Meter von ihm entfernt – eine Sicht auf Religion, die so nirgends verkündet wird, sondern exis­ten­ziell gewachsen ist bei Menschen, die ihr Leben einsetzen für andere, in für sie selbst sehr gefähr­lichen Situationen. Und wieder gibt es viele Nachfragen der Besucherinnen und Besucher.

Zum Audio-Mitschnitt der Veranstaltung

An den Wurzeln

Mit diesen tief gehenden Eindrücken reise ich zwei Tage später, am 24. Mai 2014, nach Münster. Dort, wo wir vor bald zwanzig Jahren den Impuls zur Gründung der Ruth-Pfau-Stiftung hatten, warten etwas mehr als zwei­hundert Menschen darauf, sie zu sehen und zu hören.

Zunächst sprechen wir auch hier über ihre Arbeit und über ihren Nachfolger, über die aktu­ellen Herausforderungen und Entwicklungen der Arbeit in Pakistan.

Dann aber greife ich ihre Aussagen von vorgestern in Köln wieder auf.

Sie erläutert ihre Sicht auf Glauben und Religion, sie gibt zu, dass sie schon oft unter ihrer Kirche gelitten hat und auch Konflikte mit ihrem Orden durch­stehen musste.

Es kommen Nachfragen aus dem Saal: Wie kann man denn so weiter­machen? Nein, all das sei kein Grund für sie, aufzu­hören, sagt Ruth Pfau: „Weitermachen ist oft unsinnig, aber Aufhören wäre noch unsin­niger. Also machen wir weiter!“

Drei Veranstaltungen im Mai 2014 in Deutschland – zusammen mit insgesamt fast eintausend anderen Gästen bin ich bewegt und fühle mich von Ruth Pfau mitge­nommen auf ihren Weg.

Ja, Leben ist anders!

Martin Gertler

 
 

LESETIPPS

 
 

Lesen und verstehen... Stöbern Sie bei Interesse gern in unseren Buchempfehlungen.

Lesetipp: „die Schönheit des Helfens“
 
 
 
 

BERICHTE

 
 

Neues aus Pakistan und aus den Netzwerken in Deutschland...

Dr. Ruth Pfau

...können Sie hier im Überblick finden.

Dr. Ruth Pfau († 2017), Lepraärztin und Ordensfrau, kannte Pakistan wie kaum ein anderer Europäer.

Sie hatte dort seit mehr als fünfzig Jahren nach Kranken gesucht und erfolg­reich Hilfe geleistet.

 
 
 
 

ÜBER UNS

 
 

Durch die Ruth-Pfau-Stiftung hat die von der DAHW finan­zierte Lepra- und Tuberkulosehilfe in Pakistan ein weiteres Standbein erhalten.

Stiftungsurkunde

Es ist der Wille der Namensgeberin, mit dieser Stiftung die über Jahrzehnte aufge­baute Arbeit in Pakistan zu sichern.

 
 
 
 

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